Die Gründung im Jahr 1919
Das Deutsche Reich war nach dem Ersten Weltkrieg zerstört, politisch instabil und wirtschaftlich ruiniert: Millionen Menschen waren in extremer Not und hungerten. Die Armenpflege war zwar Aufgabe der Gemeinden, doch hatten diese große Schwierigkeiten, die Massenfürsorge zu bewältigen.
Am 13. Dezember 1919 rief die Sozialdemokratin Marie Juchacz in Berlin den „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt“ innerhalb der SPD ins Leben. Dabei war es nicht nur die Not der Menschen, die zur Idee einer Arbeiterwohlfahrt geführt hat. Ziel sollte sein, die unterdrückende Armenpflege des alten Kaiserregimes abzulösen und die Idee der Selbsthilfe und Solidarität in eine moderne Wohlfahrtspflege hineinzutragen: Durch aktive Beteiligung der Arbeiterschaft sollte die Wohlfahrtspflege demokratisiert werden.
„Arbeiterwohlfahrt, eine Wohlfahrt nur für Arbeiter? Nein! Eine Wohlfahrtspflege ausgeübt durch die Arbeiterschaft!“
erklärte Marie Juchacz
Die Arbeiterwohlfahrt in der Weimarer Republik
In den 1920er Jahren entstand eine Vielzahl von Einrichtungen und Diensten der Arbeiterwohlfahrt, z. B. Nähstuben, Mittagstische, Werkstätten oder Beratungsstellen. 1926 wurde die Arbeiterwohlfahrt als Reichsspitzenverband der freien Wohlfahrtspflege anerkannt. Ein wichtiges Anliegen war die Qualifizierung von Personal für soziale Berufe: Ab 1928 unterhielt die AWO eine eigene Wohlfahrtsschule in Berlin. 1923 wurde der Bezirksausschuss der Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein gegründet, dessen erste Vorsitzende Louise Schroeder wurde. 1925 hatte der AWO Bezirksausschuss Schleswig-Holstein sechs Kreisausschüsse und 45 Ortsvereine.
Auf dem Gut Seekamp bei Kiel fand 1927 das erste selbstverwaltete Sommerlager für Arbeiterkinder, die Kinderrepublik Seekamp, statt. 1931 waren in ganz Deutschland 135.000 ehrenamtliche Helfer*innen der AWO in der Kindererholung und im Kinderschutz, in der Altenbetreuung und Jugendhilfe, in Notstandsküchen und Werkstätten für Behinderte und Erwerbslose sowie in Selbsthilfenähstuben aktiv. Die Arbeiterwohlfahrt wurde zur Helferorganisation für alle sozial bedürftigen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Konfession.
Die Arbeiterwohlfahrt während der NS Diktatur 1933-1945
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde die AWO im Juni 1933 verboten und aufgelöst, ihr Vermögen eingezogen. Führende Frauen und Männer der AWO wurden verfolgt. Solange es die Mittel zuließen, wurde die Hilfe für Notleidende und Verfolgte des Naziregimes in der Illegalität fortgesetzt. Marie Juchacz und viele andere mussten Deutschland jedoch verlassen. Marie Juchacz emigrierte zunächst in das freie Saargebiet und Frankreich, 1941 nach New York. Im Exil setzte sie ihre Arbeit fort, u. a. mit der Eröffnung eines AWO Restaurants und mit Emigrantenhilfe. Es wurden verschiedene Auslandsorganisationen der AWO im Exil gegründet, z. B. „AWO Paris“, „AWO London“, „AWO USA/New York“ und „AWO Schweden“. Sie alle hatten sich zum Ziel gesetzt, den Opfern des Nationalsozialismus zu helfen. Lotte Lemke blieb in Deutschland und versuchte, die Arbeit im Untergrund fortzusetzen; 1933 wurde sie von der Gestapo für einige Wochen verhaftet. Sie war an der Gründung der Tarnorganisation „deutsch-ausländisches Jugendwerk“ beteiligt, das bis 1936 illegal verschiedene Hilfsmaßnahmen organisierte.
Die Arbeiterwohlfahrt in der Nachkriegszeit 1945-1950
Am 21. Oktober 1945 wurde die „Deutsche Hilfsgemeinschaft“ als Wohlfahrtsausschuss der Britischen Zone gegründet. Darin fanden sich sowohl Vertreter der öffentlichen Wohlfahrtspflege als auch der freien Wohlfahrtsverbände. Schleswig-Holstein war nach Niedersachsen das größte Flüchtlingsland, es herrschte Wohnungsnot sowie ein Mangel an Lebensmitteln und Bekleidung. Die gesundheitliche Lage vieler Menschen war besorgniserregend und die Kriminalitätsrate hoch. Im Dezember 1945 wurde ein provisorischer AWO Bezirksausschuss mit der Vorsitzenden Gertrud Völcker gegründet.
Nach Kriegsende ging die Arbeiterwohlfahrt organisatorisch neue Wege: Sie wurde 1946 in Hannover als parteipolitisch und konfessionell unabhängige und selbstständige Organisation wieder gegründet.
Die Ortsvereine nahmen ihre Arbeit wieder auf: Helfer*innen kümmerten sich um Flüchtlinge, Heimkehrer, Alte und Einsame und um junge Menschen, die Heimat und Eltern verloren hatten. Kinder- und Jugenderholungsmaßnahmen wurden wieder angeboten und nach alter Tradition eröffneten Nähstuben, aber auch Einrichtungen der Hauswirtschaft und Mütterbildung. 1949 gab es in den drei Westzonen und in Berlin bereits wieder 50.000 ehrenamtliche Helfer*innen und 300.000 Freund*innen und Mitglieder der AWO. 1949 kehrte auch Marie Juchacz aus den USA zurück. In New York hatte sie dafür gesorgt, dass die Arbeiterwohlfahrt in die CARE-Paketaktion der Amerikaner einbezogen wurde. Im gleichen Jahr wurde sie zur Ehrenvorsitzenden der AWO gewählt.
In Schleswig-Holstein wurde Gertrud Völcker 1946 erste Vorsitzende der wiederbegründeten AWO Schleswig-Holstein. Diese gehörte 1949 mit 471 Ortsausschüssen, 9.112 Ehrenamtlichen sowie 7.861 Freund*innen und Fördernden innerhalb der AWO zu den größeren Verbänden in Deutschland.
Die Arbeiterwohlfahrt in der Bonner Republik 1950-1990
1959 hatte die Arbeiterwohlfahrt deutschlandweit 300.000 Mitglieder, 5.000 Ortsvereine, 353 Heime, 250 Kindergärten, 4.000 hauptberufliche Mitarbeitende und über 70.000 Helfer*innen. Im Jahr 1961 wurde der Bezirksverband zum Landesverband umbenannt und zu einem Mitgliederverband mit Mitgliederbeiträgen umstrukturiert. Ab den 1960er- und '70er-Jahren übernahm die Arbeiterwohlfahrt neue sozial Aufgaben, die im Wandel der Gesellschaft ihren Ursprung hatten. Dazu gehörte die Betreuung der zahlreichen zugezogenen Arbeitnehmer*innen u.a. aus der Türkei und Jugoslawien, die stationäre und ambulante Altenhilfe, die Suchtberatung und die sozialpsychologische Betreuung. Durch ein soziales Bürgerprogramm wurden in den 70er-Jahren zahlreiche Stellen für Soziales eingerichtet.
Die AWO ab 1990
Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 begann auch die Arbeiterwohlfahrt in den fünf neuen Bundesländern einen dynamischen Aufbauprozess. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer schlossen sich die Landes- und Bezirksverbände der AWO in ganz Deutschland auf einem Bundestreffen in Berlin am 10. November 1990 zusammen.
Bezirks- und Landesvorsitzende der AWO Schleswig-Holstein:
- 1923-1933: Louise Schroeder
- 1945-1957: Gertrud Völcker
- 1957-1962: Kurt Pohle
- 1962-1969: Emil Blohm
- 1969-1983: Günter Lütgens
- 1983-1995: Hannelore Fojut
- 1995-2011: Heinz Welbers
- seit 2011: Wolfgang Baasch
Landesgeschäftsführung der AWO Schleswig-Holstein:
- 1945-1961: Walter Kowalewsky
- 1961-1991: Reinhold Stein
- 1992-2011: Volker Andresen
- 2011-2022: Michael Selck/Bernd Schubert
- seit 2022: Michael Selck
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